Aasgeier nach dem Zweiten Weltkrieg Worin ein kleines Land noch kleiner sein kann.
Sehr geehrter Herr Schunck Als Anlage finden Sie den Artikel über was Ihre Mutter mir erzählte über die Juden in Valkenburg und den Küster, sowie den Standpunkt der niederländischen Regierung mit freundlichen Grüßen Jan van Betuw
Widerstand als Protest Ein virtueller Rundgang durch Heerlen 1940-1945 und Dresden 1933-1945
Aasgeier nach dem Zweiten Weltkrieg Worin ein kleines Land noch kleiner sein kann.
Seit dem Ersten Weltkrieg wohnte in Valkenburg das Ehepaar Soesmann-Horn. Schon als Schulmädchen kannte Frau Schunck-Cremers dieses jüdische Ehepaar, das nebenan wohnte. Er war niederländischer, sie deutscher Herkunft.
In Valkenburg waren sie allgemein geachtete Leute. In fortgeschrittenerem Alter hatte Herr Soesmann eine prominente Stellung in der jüdischen Gemeinschaft inne, er war der stellvertretende Rabbi. Am Sabbath machte die spätere Frau Schunck-Cremers u.A. bei den Nachbarn den Ofen an.
Im Zweiten Weltkrieg wohnten die Ehepaare Schunck und Soesmann noch in Valkenburg. Herr Schunck („Paul“) hatte eine führende Rolle im Widerstand und er wusste, dass der Plan bestand, Valkenburg kurzfristig zu „entjuden“. Energisch regelte er für seine Bekannten eine Untertauchadresse im Krankenhaus von Heerlen (Herr Soesmann, schon älter, war kränklich). Weil Frau Schunck das jüdische Ehepaar schon so lange kannte und vertraulicher mit ihnen verkehrte, befragte sie die beiden, ob sie sich über die Konsequenzen dieses „Judenfrei“ machen in Klaren wäre. Sie waren es tatsächlich, soweit damals möglich, allerdings hatten sie, wie alle, keine Ahnung von Vernichtungslagern und Auschwitz.
Während dieses Gespräches sagte Frau Soesmann, sie hätte schon viele Wertgegenstände wie Schmuck bei vertrauten Bekannten untergebracht. Jetzt wäre sie dabei, den Rest in Wollknäuel zu wickeln. Die könnte sie dann unbemerkt mitnehmen und so eine Reserve haben für alle Fälle. Auf die Frage, ob sie denn auch Empfangsbescheinigungen davon hätte, zeigte sie einige Zettel. Aber an das eigene Haus oder ein Testament hatten sie noch nicht gedacht. Paul regelte auch das. Ein schon vor geraumer Zeit nach Amerika ausgewanderter Bruder von Frau Soesmann wurde Universalerbe. Die Dokumente bekam Frau Schunck in Verwahrung.
An Untertauchen dachte das jüdische Ehepaar aber nicht: „Nein, wenn Gott unser Volk in die Verbannung führt, müssen wir Älteren vorangehen. Und wir wollen niemanden gefährden für die kurze Zeit, die wir noch zu leben haben“.
Nicht lange danach wurden sie von den Deutschen abgeholt und nach Maastricht gebracht. Alles was sie bei sich hatten wurde ihnen abgenommen! Von Maastricht ging es nach Aachen, wo Herr Soesmann als alt und krank (und also nichts „wert“) abgetrennt und „beseitigt“ (!) wurde. Frau Soesmann ging allein auf Transport. Ein Mitgefangener, der überlebte, kannte die Tragödie und informierte Paul nach dem Krieg.
Nach dem Krieg machte „Paul“ (Pierre Schunck) den Bruder Horn in New York ausfindig und klärte diesen über das Testament auf. Dieser Bruder, auch schon älter und Kellner seines Zeichens, verkehrte in bedürftigen Umständen und war, trotz der Trauer über das Schicksal von Schwester und Schwager, auch überglücklich.
Paul regelte eine Geschäftsreise nach Bonaire und legte zwei Tage Pause für den Besuch beim niederländischen Konsul in New York ein. Er verabredete sich mit dem Bruder und wollte mit diesem und dem Testament die Sache beim Konsul rund machen. Der Konsul empfing sie, hörte sich die Geschichte an, begutachtete das Testament und schien geneigt zu reagieren wie Paul es erwartete.
„Aber dann wird Herr Horn sich wohl als der benannte Erbe legitimieren müssen.“ Horn legte dem Konsul seinen alten deutschen Pass, mit dem große „J“ darin, vor. Der Konsul reagierte wie von einer Wespe gestochen. „Das ist feindliches Vermögen, das muss beschlagnahmt werden! Denn Horn ist ja Deutscher!“
Gutes Zureden und umständliches erklären der Lage halfen kein Bisschen. Horn bekam nichts und der Konsul beschlagnahmte das Testament.
Als Paul, tief enttäuscht, wieder in Valkenburg heimkehrte, lag dort schon ein Brief eines Anwalts, in dem er aufgefordert wurde, alle Besitzungen (rührende und unrührende) des verstorbenen Ehepaares Soesmann-Horn beim Treuhandinstitut (Nederlands Beheersinstituut, NBI) zu melden, was Paul tat. Als das Treuhandinstitut bei den diversen Personen die Wertgegenstände der Soesmanns einforderte, haben die Betreffenden abgestritten, die Sachen zur Verwahrung bekommen zu haben. Das Haus des Niederländers Soesmann wurde öffentlich versteigert. Der einzige Bieter war ein ehemaliger niederländischer Nazi, der dort wohnen blieb.
So eigneten sich der niederländische Staat und seine Bürger den Besitz von ermordeten Juden an.
Eine andere Begebenheit, ebenso zum Himmel schreiend, betraf den Widerstandsmann van Ogtrop (der Küster von Valkenburg). Er verlor nahezu sein gesamtes Vermögen. Er hatte, lange vor dem Kriege, die Tochter eines deutschen Busunternehmers in Gütergemeinschaft geheiratet. Dieser wohnte in Koningsbosch (Gemeinde Echt) und hatte dort sein Unternehmen (u.A. Bergarbeitertransport). Diese Leute waren alles andere als Hitler-Anhänger. Ihr / sein Anteil in dem Unternehmen wurde ohne Weiteres beschlagnahmt. Weil der Küster durch einen Unfall auch noch schwerbehindert wurde, fiel er zurück auf eine magere Küsterpension.
Paul hat zwar noch Versuche unternommen, die Entscheidungen des Treuhandinstitutes rückgängig zu machen. Aber das misslang. Man muss diese Dinge allerdings im Zusammenhang mit der Mentalität jener Tage betrachten: des gehorsamen und behördentreuen Bürgers. Rechtshilfestellen für kleine Leute waren unbekannt, bzw. noch lange nicht so allgemein verbreitet wie heutzutage.