Anfang Die Geschichte des organisierten Widerstands in der Provinz Limburg lässt sich nicht zufriedenstellend erklären, wenn man ausschließlich die relevanten Ereignisse und die Entwicklungen in den Jahren der deutschen Besatzung verfolgt. Schon in den dreißiger Jahren wurden die Grundlagen gelegt, die als teilweise Erklärung für eine Widerstandshaltung nach den Ereignissen von Mai 1940 dienen können. Darin spielte die katholische Kirche eine wichtige Rolle, denn es war diese Kirchengemeinschaft, die dort am stärksten die Herausforderung, den Erfolg und die Drohung der rechtsradikalen Strömungen als eine nicht zu unterschätzende Angelegenheit sah und die sich als erste zur Wehr stellte, indem sie einen heftigen gesellschaftlichen Gegenangriff startete. Das erscheint vielleicht merkwürdig. Hing im überwiegend katholischen Limburg der Erfolg der „Nationaal Socialistische Beweging“ (N.S.B.), wie manchmal suggeriert worden ist, zusammen mit der in katholischen Kreisen lebenden Sympathie für den Korporativismus, der mit dem Faschismus verbunden war? Die Antwort ist negativ. Obgleich die rechtsradikalen Strömungen die von der katholischen Kirche befürwortete korporatieve Strategie der Konfliktvermeidung in einer autoritären Form übernahmen und damit die ursprüngliche Philosophie kompromittierten, schöpften sie Vorteile aus der Weltwirtschaftskrise und ihre Folgen. Die sicherlich anfänglich als gemäßigt betrachtete N.S.B. hatte damit den größeren Erfolg. Wer seine Stimme der N.S.B. gab, tat das im Allgemeinen nicht auf Grund einer politischen Überzeugung, sonder eher aus Unzufriedenheit, Furcht und Protest gegen die Koalitionsparteien, die bis dahin nicht in der Lage schienen, eine befriedigende Antwort auf die um sich greifende Krise zu geben. Der Korporativismus spielte dabei eine zu vernachlässigende Rolle. Um dem immer beliebter werdenden Rechtsradikalismus den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Wähler zu befrieden war es an erster Stelle wichtig, die übelsten Folgen der Wirtschaftskrise zu bekämpfen, eine Aufgabe die hauptsächlich auf den Schultern der Regierung und der Wirtschaft lag. Die katholische Kirche betonte aber mit Unterstützung vieler katholischer gesellschaftlicher Organisationen die Bekämpfung des Rechtsradikalismus, insbesondere der N.S.B., die 1935 einen auffallenden Wahlsieg davon trug. Unter de Führung von Bischof J.H.G. Lemmens von Roermond und von sozial engagierten Geistlichen wie H.A. Poels und J. Jacobs, wurde in der Mitte der dreißiger Jahre ein prinzipieller Gegenangriff gestartet, der im Süden der Provinz, wo die N.S.B. (National Sozialistische Bewegung) die meisten Anhänger hatte, bei dem hart auf hart gekämpft wurde. Ethische, moralische und auf den Glauben fundierte Prinzipien wurden gegen die Ziele und Praktiken des Nationalsozialismus in Stellung gebracht. Indem sie ihren Einfluss und Autorität auf allen Ebenen der Gesellschaft anwendete, gelang es der katholischen Kirche, die NSB zu stigmatisieren und in die Defensive zu drängen. Anhänger der Partei hatten allen Grund, um ihre Arbeitsplätze fürchten, einige wurden sogar mit einem sozialen Boykott konfrontiert. Die katholische Gegenoffensive verschärfte und verdeutlichte den durch den Aufstieg des Rechtsradikalismus verstärkten sozialen Polarisierungsprozess. Ein „böser“ Sektor der Gesellschaft wurde erkennbar. Der in den Kriegsjahren so dominante gut-böse Gegensatz würde daraus einen Teil seiner Vitalität bekommen. Obgleich anti-nationalsozialistische Gefühle in Limburg unleugbar weit verbreitet waren, kam von der Kirche geförderte Militanz nicht sofort nach der deutschen Invasion zum Tragen. Katholisch inspirierte Widerstandsstrukturen ließen noch eine Weile auf sich warten. Das hing mit der Politik der Besetzer zusammen, die darauf zielte, die Bevölkerung mit sanfter Hand für den Nationalsozialismus zu gewinnen. Die Kirche und ihre gesellschaftlichen Organisationen arbeiteten normal weiter und die Effekte des Krieges und der Besatzung blieben begrenzt. Dennoch entstanden im Verlauf von 1940 und 1941 im Süden der Provinz drei militär-zivile Untergrundformationen. Sie basierten auf einem geteilten Gefühl des Unbehagens über die Niederlage vom Mai 1940. Dutzende ihrer Mitglieder konnten oder wollten sich nicht mit den neuen Umständen abfinden. Sie hielten es für ihre Aufgabe, die Bevölkerung wach zu rütteln, indem sie Untergrundzietungen oder Flugschriften herausgaben oder verteilten oder indem sie den Feind wo nur möglich behinderten. Letzteres koppelten die drei Gruppen an sehr ambitionierte Ziele und eine ganze Skala an Aktivitäten wie das Sammeln und Weiterleiten von Informationen, das Sammeln von Waffen, das Planen von Sabotage und das Erteilen von Hilfe an Englandfahrern und Flüchtlinge. Durch eine verhängnisvolle Kombination aus ungebremster Tatkraft und Mangel an Erfahrung, bekamen der Sicherheitsdienst (deutsche Sicherheitspolizei) und die Abwehr (deutsche Spionageabwehr) die drei Widerstandskerne bald zufassen. Durch Infiltration und Verrat wurde einer nach dem anderen zwischen Ende 1941 und Herbst 1942 hoch genommen. Obwohl ihre konkreter Beitrag zum Widerstand gegen die Besatzer wenig zu bedeuten hatte, war die Bedeutung dieser frühen Widerstandsformationen für die weitere Entwicklung der Untergrundbewegung groß. Denn sie waren die Ersten und somit Vorbilder. Nachfolgende Widerstandsorganisationen zogen ihre Lehre daraus. Außerdem brachten sie viele wertvolle Verbindungen innerhalb der Provinz und darüber hinaus hervor, die ihre Nachfolger weiter aufbauen konnten.
Die erste Untergrundtätigkeit, die zu einem wichtigen Grad den Stempel der katholischen Kirche oder vielmehr des katholischen Klerus trägt, betraf die Hilfe an Französisch sprechende Kriegsgefangen, die aus Deutschland entflohen waren. Im Gegensatz zu ihren flämischen Kameraden, nach der belgischen Kapitulation bald nach Hause zurückzukehren könnten, hatte Hitler befohlen, dass alle wallonischen Soldaten in Deutschland interniert zu bleiben hatten. Das Gleiche galt für die französischen Soldaten. Sie wurden in speziellen Lagern oder bewachten Gebäuden untergebracht. Tagsüber erledigten sie allerlei anfallende Arbeiten, viele wurden in der Landwirtschaft beschäftigt. Einige nutzten die relative Freiheit zu entkommen. Gegen Ende 1940 erschienen die Ersten dieser Flüchtlinge an Grenze zwischen Limburg und Deutschland. Dass sie genau in diesem Gebiet auftauchten, kam durch die geografische Lage der Kriegsgefangenenlager. So manchem Kriegsgefangene wurde klar, dass der kürzeste und sicherste Weg durch besetztes Gebiet lief, d.h. durch Limburg. Dort war die Chance auf Hilfe aus der Bevölkerung größer als Deutschland. Sie klopften an einem beliebigen Bauernhof an oder sie orientierten sich an eine Kirche in der Annahme, dass der lokale Priester Französisch sprach und einen Glaubensgenossen nicht seinem Schicksal überlassen würde. Das Phänomen trat in ganz Nord- und insbesondere Mittel-Limburg auf. Im Allgemeinen gab es eine beträchtliche Bereitwilligkeit, den zerlumpten und hungrigen Soldaten zu helfen, aber drückender war die Frage, wie man diese Hilfe organisieren sollte. Es musste viel improvisiert werden. Im Verlauf von 1941 und 1942 wurde jedoch ein umfangreiches Kommunikationsnetzwerk erfolgreich aufgebaut. Eigentlich bestand dieses System aus zahlreichen kleinen, informellen Netzwerken. Der organisationsgrad war nicht hoch. Die Hauptarterien liefen entlang dem Westufer der Maas in Nord- und Mittel-Limburg: die Verbindungen zwischen den größeren Sammelzentren wie Grubbenvorst, Baarlo und Horn. Zwischen Stramproy und Roosteren, an der belgischen Grenze , befanden sich de festen Orte, wo man über die Grenze ging.
Obwohl dieses System anfällig war, waren Infiltration und Verrat selten. Die Bevölkerung war stumm oder half indirekt mit. Es war eine Form des Widerstandes, für die aufgrund des humanitären Aspektes und des vergleichsweise geringen Risikos für die lokale Bevölkerung, Verständnis oder Wertschätzung gegeben war. Abgesehen vom Achterhoek und Twente (westlich vom Münsterland und Osnabrück) hatten die Einwohner anderer Teile des Landes kaum oder überhaupt nicht mit diesen Französisch sprechenden Flüchtlingen zu tun, so dass die Hilfeleistung eine fast ausschließlich limburgische Angelegenheit blieb. Die aus den Provinzen Gelderland und Overijssel kommenden Wallonen und Franzosen zogen zunächst durch Noord-Brabant nach Belgien und Frankreich, aber im Laufe des Jahres 1942 entstanden neue Verbindungslinien. Seitdem durch zogen die meisten durch Limburg in den Süden.
Diese Hilfe erreichte einen Höhepunkt in 1943 und sie dauerte bis in den Sommer von 1944 an. Hunderte von Leuten wurden direkt involviert. Sie wussten, dass sie eine breite gesellschaftliche Unterstützung genossen. Insgesamt halfen sie ungefähr zwei tausend auf Kriegsgefangenen. Abgesehen von diesen Verdiensten, hatte Hilfe zwei wichtige Nebeneffekte. Unter zufälligen Umstände wurde frühzeitig eine Widerstandspotenzial mobilisiert aus dem spontan und improvisiert zahlreiche Verbindungsnetzwerke entstanden. Zudem machten die Helfer die dringend benötigte Erfahrung in der illegalen Arbeit, deren Früchte nicht nur sie, sondern auch diejenigen, die sich später dem Widerstand anschlossen, ernten würden.
Während die Zahl der Französisch sprechenden Kriegsgefangenen noch stieg, baten neue Gruppen Flüchtlinge, wie Juden, Englandfahrer und Besatzungsmitglieder von abgeschossenen Bombern die verschiedenen Netzwerke um Hilfe. Für die meisten von ihnen konnte die Hilfe nicht darauf begrenzt werden, dass sie über die belgische Grenze gebracht wurden. Die bestehenden Fluchtrouten endeten so gut wie alle auf belgischem Territorium. Die Fluchtrouten mussten bis zur Schweiz und zu Spanien beträchtlich verlängert werden, oder es war notwendig, neue Wege zu gründen. Dieses gelang auf eigene Initiative, aber besonders mit der Hilfe der belgischen Kontaktpersonen und Flüchtlingsorganisationen. Die Hilfe für diese Flüchtlinge war übrigens keine exklusive limburgische Angelegenheit mehr. Es ging ja um Kategorien aus allen Teilen des Landes. Viele Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen wandten sich für die Weiterleitung der Flüchtlinge an ihre bestehende Verbindungsnetzwerke oder versuchten, mit der Unterstützung von noch nicht an der Hilfe beteiligten Limburgern separate Fluchtrouten aufzubauen.
Weil der Flüchtlingsnachschub je nach Kategorie schwankte und es unmöglich war, für jede Art von Flüchtlingen eigene Liniensysteme aufzubauen, lief die Hilfe einige Zeit durcheinander. Es machte die langen, für Infiltration und Verrat empfindlichen Strecken noch anfälliger. Erst im Laufe des Jahres 1943 wurde eine Tendenz zur Trennung und Spezialisierung sichtbar, wegen einer gewissen Professionalisierung und dem Entstehen nationaler Organisationen mit umfangreichen Netzwerken wie die LO, die es ermöglichten, die Hilfe besser zu koordinieren und zu diversifizieren.