Familienchronik von Nikolaus Severin Joseph Schunck, 1869-1939, Kettenis bei Eupen text, no JavaScript Diese Seite auf Deutsch This page in English

Familien Chronik von Nikolaus Severin Joseph Schunck, Kettenis bei Eupen

Familien Chronik von
Nikolaus Severin Joseph Schunck


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handweber, um 1830
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Originaltxt dieser Chronik, erste Seite Im Nachfolgenden will ich eine Familienchronik und Beschreibung über mein vergangenes Leben niederlegen, welche als bleibende Erinnerung an etwaige Familienereignisse und an meine Verflossene Jugendzeit aufbewahrt und nicht ganz uninteressant sein dürfte:

Am 27. März des Jahres 1869 wurde ich zu Kettenis als erster Sohn der Eheleute Severin Joseph Schunck und Barbara Agnes Herné geboren.
Mein Vater ist der Sohn der zu Kettenis gelebt und gestorbenen Eheleute Nic. Severin Jos. Schunck und Maria Katharina Kroppenberg und meine Mutter ist die Tochter der zu Stockem bei Eupen verlebten Eheleute Peter Jos. Herné und Barbara Schins. Von meinen Großeltern habe ich nur die letztgenannte (meine Patin) gekannt, da die andern schon vor meiner Geburt verstorben sind.

Die Großeltern Schunck hatten in Kettenis eine Handweberei, Wollwäscherei und kleinen landwietschaftlichen Betrieb und die Großeltern Herné betrieben Landwietschaft und Schreinerei in Stockem.
Bei der Verheiratung meiner Eltern am 10. Juni 1868 erhielt mein Vater das ihm durch Teilung zugefallene Haus genannt "an der Gasse", welches er selbst bezog und noch ein Nebenhaus, das er vermietete. Desgleichen übernahm er auch die im selbigen Hause betriebene Handweberei welche ihm als Lebensunterhalt dienen sollte.
Er übernahm Arbeit für auswärtige Weber und arbeitete selbst mit mehreren Gesellen.
Als ich kaum ein Jahr alt war erhielt ich eine schwere Verletzung an der rechten Hand. In diesem Jahr konnte ich kaum die ersten Schritte gehen und fiel in einem unbewachten Augenblick auf den glühend heißen Herd, sodaß die Haut der Hand am Ofen kleben blieb. Die Verletzung wollte gar nicht heilen und hat meinen Eltern viel Mühe gemacht, bis sie endlich mit Steinöl (= Petroleum) geheilt wurde. Als Andenken an diesen Vorfall habe ich eine große Narbe an der rechten Hand und der Ballen der letzteren ist etwas kleiner, als die der linken Hand.
Am 28. Januar 1871 erhielt ich ein Brüderchen, welches mit dem Namen Heinrich benannt wurde. Meine Eltern haben mit diesem Kinde in den ersten Jahren viel Krankheit durchgemacht, da Heinrich ein sehr schwächliches Kind war.
Die erste Schwester gesellte sich zu uns am 26. März 1873. und heißt Maria, sodann am 20. März 1875 noch eine Schwester mit dem Namen Josefine. Jetzt war es schon meine Sache die kleinen Schwestern zu tragen und teilweise ein Kindermädchen zu ersetzen. Auch gingen Heinrich und ich schon mal zusammen an der Hand mit andern in der Gasse und Wiese spazieren. Um diese Zeit verkehrte ich aber viel mit meiner Großmutter in Stockem, welche mir sehr lieb und teuer war, da sie immer allerhand Leckereien fürs Kind hatte. Daher diese Anziehungskraft. Der Onkel Heinrich in Stockem zänkte mich, daß sie Kühe hätten und wir nicht, worauf ich dem gesagt habe, dass wir aber eine Jansens Ziege und eine Doume Wiese hatten. Das war die kindliche Einfalt, daß ich glaubte alles was unseren Nachbarn gehörte, wäre von uns.
Im Jahre 1874 einem Sommertage gingen mein Bruder Heinrich und ich mit noch anderen Kindern in eine benachbarte Wiese um Blumen zu plücken. In dieser Wiese, jetzt "Welingsche Wiese", war ein Wasserpfuhl dessen Ufer mit wilden Rosensträuchern umsetzt waren, welche voller Rosen hingen. Unser Heinrich, ein besonderer Rosenfreund, wollte dort eine Rose pflücken, bekam das Übergewicht und stürzte kopfüber ins Wasser. Ein älterer Knabe aus unserer Nachbarschaft rettete meinen Bruder vom sicheren Tode des Ertrinkens. Dieser Knabe war der Sohn "Josef" vom Küster Ganser. Letzterer wohnte damals bei uns zur Miete. Ich war etwas von dem Pfuhl entfernt in der Wiese und sah nur wie Heinrich über und über mit Schlamm bedeckt halbtodt zur Mutter gebracht wurde. Heinr. kam wieder bald zu sich und kam mit einem tüchtigen Schnupfen davon.
Im Jahre 1877 am 31. März brachte der Storch uns wieder ein Brüderchen ins Haus und zwar den Josef.

Um diese Zeit fing schon die Handweberei an zu erlahmen. Überall wurden mechanische Webstühle aufgestellt und so die Handweberei immer mehr verdrängt. Meine Eltern welche nur mit ihrer Existenz davon abhingen waren wahrlich nicht auf Rosen gebettet. Mein Vater reiste oftmals in der Woche nach Aachen jedoch ohne Arbeit zu erhalten. Das waren traurige Zeiten.
Im Jahre 1878 erbauten meine Eltern das Haus nach der Kirche zu. Der Onkel Herné erbaute dasselbe anstatt Geld herzugeben vom Erbteile der Mutter.
Am 11. März des Jahres 1879 erhielten wir die dritte Schwester mit Namen Luise und am ersten Januar 1882 das 7. Kind mit Namen Hubert Leo.
Im Frühjahr des Jahres 1875 ging ich in Kettenis in die Elementar Schule und Herr Gerhards war mein erster Lehrer. Sodann folgten die Herren Göttingen, Brüll und schließlich Longhaye als Lehrer. Den Religionsunterricht erteilte Herr Kaplan Schmitz. Dieser nahm mich schon in frühester Jugend als Messediener an, welches Amt ich noch bis über die Schulzeit hinaus teilweise hier in der Kirche und einmal jede Woche auf der Oberen Heide versah. Auch in dem damals unter der Leitung des Herrn Longhaye bestehenden gemischten Chor war ich und auch mein Bruder Heinr. als Tenor tätig. In Bezug auf den Besuch der Schule war es damals anders bestellt als heute. Man konnte von dem damaligen Ortsschulinspektor Herrn Pfarrer Wieland eine Bescheinigung erhalten, daß die Eltern den Sohn oder die Tochter dringend zur Hilfe haben müßten. Man gab diese Zettel sodann der Lehrperson und blieb der Erlaubnis entsprechend dem Schulunterrichte fern. Ich blieb natürlich die halbe Woche aus der Schule da meine Eltern viel Arbeit für mich hatten.
Am Buß- und Bettage des Jahres 1882 ging ich zur Ersten hl. Kommunion in unserer Kirche in Kettenis. Dies war eine sehr erhebende Feier, an die man sich im Leben gerne erinnert. Als Kommunionspaar hatte ich den Johann Kohl zu Libermé gewählt, welcher sodann eine zeitlang mein Freund war. An den Kommuniontagen gingen wir abwechselnd zueinander und vermachten uns an Vogelschießen, Turnen etc. Zu uns gesellte sich dann noch Augst Wertz und Christian Roßkanp, Josef Cormann und unser Heinrich als Freunde. Jetzt gingen wir öfters hin zu Wertz in Merols, welche ein schweres Pferd hatten um dort in der Wiese die Reitkunst zu erlernen.
Dort passierte uns mal beinahe ein Unglück. Unser Heinrich wurde von dem schweren Pferde umgerannt und in den Rücken getreten, sodaß das Hufeisen auf seinem Rock abgezeichnet war. Er hatte aber nicht mal eine Quetschung davon getragen, sondern stand auf und wusste nicht wie ihm geschehen. So wurde er zum zweiten Male von einem Unglücksfalle errettet.
Da ich doch gerade von Heinrich spreche, will ich noch erwähnen wie er wie durch ein Wunder nicht zum unfreiwilligen Mörder wurde. Heinrich besuchte als zirka 14-jähriger Bursche den bei uns zur Miete wohnenden Nic. Jos. Hausmann in seiner Wohnung. Neugierig wie er war zog er eine Schublade eines Schrankes auf und sah darin einen Revolver liegen. Er fragte den Hausmann ob er den Revolver mal besehen könnte. Ja, sagte dieser, nimm ihn nur, er ist nicht geladen. Aber kaum hatte er ihn in Händen, da kracht der Schuss los und die Kugel ging dem Hausmann durch den Bart. Dass beide kreideweiß waren braucht nicht erwähnt zu werden. Dieses Vorkommnis haben beide Jahrelang verschwiegen.
Eines Sonntags passierte uns auch mal ein schönes Stückchen. Unser 4 Burschen im Alter von 12 bis 14 Jahren machten mit dem Pferde von Wertz eine Reise nach Reinartzhof bei Rötgen woselbst von Wertz Familie wohnte. Der 2 Stunden weite Weg dorthin führte nur durch den Wald und es wurde von uns abwechselnd auf dem Pferde geritten, während die andern dahin liefen. Als wieder die Reihe an mich gekommen war (ich war jedoch noch nicht aufgestiegen) lief Caspar Wertz mit dem leeren Pferde eine Strecke weit. Da fällt das schwere Pferd plötzlich bis an den Leib in einen Sumpf. Da war guter Rat teuer, denn das Tier hatte alle vier Beine fest im Koth stecken und konnte nicht mehr heraus. Nach langer Arbeit und Zuhülfenahme von dort lagerndem Holz kam das Tier mit einem Satz wieder heraus. Jetzt mußten wir den Sattel selbst tragen bis wir das über und über mit Schmutz bedeckte Pferd in der Weser mit Farenkraut gereinigt hatten. Sodann konnten wir unseren originellen Sport fortsetzen.

Fortsetzung
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